Die Integration von Schülerinnen und Schülern

mit sonderpädagogischem Förderbedarf

 
 
Gesetzliche Vorgaben im Land Niedersachsen
 
Gemäß §4 des Niedersächsischen Schulgesetzes „sollen Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, an allen Schulen gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern erzogen und unterrichtet werden, wenn auf diese Weise dem individuellen Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler entsprochen werden kann und soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten erlauben.“   
 
Laut §23 des Niedersächsischen Schulgesetzes können „ im 1. bis 10. Schuljahrgang der allgemeinbildenden Schulen Integrationsklassen eingerichtet werden, in denen Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden und in denen die Leistungsanforderungen der unterschiedlichen Lernfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler entsprechen. Eine besondere Organisation nach den Absätzen 1 bis 4 bedarf der Genehmigung der Schulbehörde. Die Genehmigung wird auf Antrag des Schulträgers oder der Schule erteilt, wenn ein geeignetes pädagogisches Konzept vorliegt und die organisatorischen, personellen und sächlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Ein Antrag der Schule kann nur im Einvernehmen mit dem Schulträger gestellt werden. “   
 
Dieser im Schulgesetz formulierten Zielsetzung versucht die Schule Am Ilmer Barg seit vielen Jahren gerecht zu werden. Es ist an unserer Schule Tradition, Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen gemeinsam mit Grundschülern und Hauptschülern zu unterrichten. Seit 1991 gibt es an unserer Schule Integrationsklassen. Beginnend mit Grundschulklasse 1 und seit 1996 fortführend auch in der Hauptschule.
 
Gegenwärtiges Bedingungsfeld an der Hauptschule
 
Zurzeit gibt es an unserer Schule zwei Integrationsklassen in den Schuljahrgängen 7 und 9. Diese Schüler wurden bereits in der Grundschule integrativ beschult und das Prinzip des gemeinsamen Lernens wird nun auch in der Hauptschule fortgesetzt.  
In Klasse 7 werden 15 Hauptschüler und 5 Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf im Lernen und in der geistigen Entwicklung gemeinsam unterrichtet. Vier Schüler werden nach dem Kerncurriculum der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen unterrichtet und eine Schülerin, mit dem Down – Syndrom, wird nach dem Kerncurriculum der Schule für Geistige Entwicklung unterrichtet.
Die 9. Klasse besuchen insgesamt 23 Schüler. Davon haben vier Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Zwei Schülerinnen werden nach dem Kerncurriculum der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung unterrichtet und zwei Schüler nach dem Kerncurriculum der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Des Weiteren wird seit der 5. Klasse ein Schüler mit einer autistischen Spektrumsstörung in der Klasse beschult. Auf Grund der sehr spät erstellten medizinischen Diagnose im Juli 2009 wurde kein Antrag auf sonderpädagogischen Förderbedarf mehr gestellt.
 
Den Integrationsschülern mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen stehen seit der 5. Jahrgangsstufe wöchentlich 3 Stunden sonderpädagogische Förderung zu, den Integrationsschülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung jeweils 5 Wochenstunden sonderpädagogischer Förderung. Weitere unterstützende personelle Maßnahmen, wie z. B. Zivildienstleistende oder Schulbegleiter können beim Gesundheitsamt beantragt werden und wurden in den beiden Integrationsklassen auch genutzt.
 
Hauptarbeitsschwerpunkte sind in Klasse 5 – 7 die Integration aller Schüler, die Förderung des sozialen Lernens und die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für ein erfolgreiches Lernen.
 
In den Klassenstufen 8 und 9 ist die Berufsvorbereitung ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt sowohl für die Haupt – als auch für die Integrationsschüler. Die Integrationsschüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen haben auch zwei jeweils dreiwöchige Betriebspraktika absolviert und arbeiten auch in den Schülerfirmen „Buchhaltung“ und „Stahlhart“ unserer Schule mit. Die drei Integrationsschülerinnen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung werden seit der 8. Klasse / bzw. 6. Klasse zusätzlich durch eine pädagogische Mitarbeiterin der Kooperationsschule An Boerns Soll betreut, schwerpunktmäßig in den Bereichen Hauswirtschaft und Verkehrserziehung. Mit Beginn der 9. Klasse haben wir die Zusammenarbeit mit der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung noch erweitert. Nun
ermöglichen wir den Schülerinnen einen kompletten Unterrichtstag an der Förderschule An Boerns Soll in Buchholz, um ihnen den Übergang in die Oberstufe dieser Schule im nächsten Schuljahr zu erleichtern.    
 
Nach Angaben des deutschen Bildungsforschers Klaus Klemm entwickelt sich bei Schülern, die eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen lange besuchen die Leistung ungünstig. Lernbehinderte Kinder, die gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf lernen und leben, so heißt es in der Studie, erzielten dagegen deutlich bessere Lern – und Entwicklungsfortschritte.
 
Das gemeinsame Lernen in einer Integrationsklasse hat aus unserer Erfahrung auch für die Hauptschüler viele Vorteile. Die Hauptschüler erwerben durch das gemeinsame Lernen, Arbeiten, Erleben eine höhere soziale Kompetenz. Das Klassenklima in den Integrationsklassen ist getragen durch Erkennen und Akzeptanz von individuellen Unterschieden. 
Dies ist nur zu erreichen durch das durchgängige Prinzip der Arbeit im Lehrerteam - eine Hauptschullehrerin und eine Förderschullehrerin unterrichten die Integrationsklassen gemeinsam. Um den Integrationsschülern mit ihren besonderen Bedürfnissen gerecht werden zu können, muss eine Doppelsteckung in den Hauptfächern, inklusive Englisch, gegeben sein. Zu beachten ist auch unbedingt der
eventuell erhöhte Betreuungs- und Unterstützungsbedarf in offenen Unterrichtsfächern, wie z.B. Sport, Musik, WPK und in den Arbeitsgemeinschaften.
Weiterhin zeigt es sich für die Haupt – und Integrationsschüler als förderlich, wenn nur wenige Lehrkräfte in einer Integrationsklasse tätig sind, da ein erhöhter organisatorischer Aufwand für die Unterrichtsvorbereitungen betrieben wird und klare Absprachen zwischen den Lehrkräften unabdingbar sind. Aus unserer Sicht hat sich das Unterrichtsprinzip der inneren Differenzierung bewährt, um so oft wie möglich miteinander lernen und arbeiten zu können. So können möglichst alle Schüler mit ihren individuellen Lernvoraussetzungen gefordert und gefördert werden. Dies gilt auch ausdrücklich für die Hauptschüler, mit ihren vermehrt auftretenden Teilleistungsstörungen (LRS, Dyskalkulie, Wahrnehmungsstörungen, graphomotorischen Störungen, ADHS, ADS und Motivationsprobleme).
Weiterhin hat das wiederholende Lernen hohe Priorität in unserem gemeinsamen Unterricht. Der Unterricht findet frontal, als das Lernen am Modell oder als Wochenplanarbeit statt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten die Möglichkeit nach ihrem individuellen Leistungsvermögen in der Einzel-, Partner- und Kleinstgruppenarbeit zu lernen.
 
 
Eine Schule für alle Kinder

Untersuchungen von Wocken (2005, 2007) unterstreichen eindringlich, dass sich für Schüler mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen durch den Besuch einer Förderschule langfristig gravierende Nachteile in ihren Schullaufbahnen ergeben. Weiterhin sind „Kinder aus sozial randständigen Milieus und Kinder mit Migrationshintergrund von der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs und der sozialen Selektion in die Förderschule weit überproportional häufig betroffen. So ist die Chance eines Kindes mit Migrationshintergrund, in Niedersachsen zur Förderschule überwiesen zu werden, mehr als dreimal so hoch wie für ein Kind ohne Migrationshintergrund.“ (Zeitschrift Sonderpädagogik in Niedersachsen 2 / 2009)
 
Hier besteht also die Forderung nach einer integrativen oder sogar inklusiven Beschulung für alle Schüler. Durch die Ratifizierung der UN – Konventionen verpflichtet sich Deutschland dieser Forderung Folge zu leisten. „Es geht also nicht nur um eine reine Staatenverpflichtung, sondern um ein individuelles Menschenrecht, das dem völkerrechtlichen Diskriminierungsverbot unterliegt. Bei der Umsetzung von Art. 24 Abs. 1 und 2 sowie Art. 5 abs. 1 und 2 der UN – Behindertenrechtskonventionen sind die Länder verpflichtet, ein inklusives Schulsystem zu schaffen. Das Abkommen verlangt … ein inklusives Bildungssystem, in dem Zugang zum allgemeinen System die Regel ist und Ausnahmen hiervon rechtfertigungsbedürftig sind.“ (Zeitschrift Sonderpädagogik in Niedersachsen
2 /2009)     
 
Hieraus ergibt sich für uns die Hoffnung, dass Integration und Inklusion zur Regel werden. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft arbeitet die Aue Grundschule in Garstedt bereits seit 2 Jahren nach dem „Regionalen Integrationskonzept“. Alle Schüler dieser Schule werden dort unterrichtet, somit auch die Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf. Diese Form des Unterrichts hört momentan nach Klasse 4 auf. Dann besteht die Möglichkeit des Wechsels in eine Förderschule oder die Beschulung in einer Integrationsklasse. Für das Schuljahr 2010 / 2011 planen wir eine neue Integrationsklasse in der Hauptschule in der Klassenstufe 5.   
Da wissenschaftliche Untersuchungen und auch unsere Erfahrungen zeigen, dass gemeinsames Lernen sich positiv auf die einzelnen Schülergruppen auswirkt, sollte das integrative Lernen bereits in Klasse 1 beginnen. Dies setzt eine enge und kooperative Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Schulen unseres Stadtgebietes voraus. Ebenso unabdingbar ist die Zusammenarbeit mit den integrativen Kindergärten, um schon frühzeitig alle Beteiligten für eine integrative Beschulung zu sensibilisieren und gemeinsam mit den Eltern der betroffenen Kinder die Schritte zur Einrichtung einer Integrationsklasse zu gehen. 



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